Selbständigkeit im Vertrieb – welche Modelle existieren?

Selbständig machen und eigener Chef werden – es bleibt oft bei einem Traum. Etwa zehn Prozent der deutschen Erwerbstätigen sind selbständig. Ein Grund: Die hohen Anfangsinvestitionen in ein Start-Up. Letztere lassen sich mit einer Selbständigkeit im Vertrieb umgehen. Anders als Händler, welche Waren lagern müssen oder Retouren zu stemmen haben, sammelt der Vertriebler nur Bestellungen ein. Diese Sichtweise existiert in den Köpfen vieler, die damit vermeintlich leichtes Geld verdienen wollen.

Hält die Ansicht einem Praxistest stand? Mit dem Internet haben sich Vertriebsgenies neue Möglichkeiten und Wege erschließen können. Ein Beispiel ist das Affiliate Marketing. Unkompliziert mit einer Website Geld verdienen – so einfach war es früher. Inzwischen sind viele der etablierten Online-Vertriebskanäle unter Druck geraten. Lohnen sich neue Wege wie Dropshipping? Und was ist von Amazon FBA zu halten?

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Affiliate Marketing – Klassiker im Online-Vertrieb

Bequem von zu Hause aus arbeiten, die Zeit frei einteilen und beim Surfen Geld verdienen – dieser verklärte Blick aufs Affiliate Marketing existiert heute noch. Das Funktionsprinzip ist älter als das Internet. Im Kern geht es darum, dass Unternehmen (Merchant) Provisionen an Dritte (Publisher) auszahlen, die Produkte des Unternehmens verkauft haben. Bekannt ist das Konzept als Revenue Sharing. Affiliate Marketing umfasst heute verschiedene Punkte:

  • Produkte
  • Dienstleistungen
  • Leads

Heißt: Ein Provisionsanspruch des Affiliate (im deutschen Sprachgebrauch auch als Werbepartner bekannt) entsteht bereits mit der Weiterleitung potenzieller Kunden. Dieser Prozess kann weiter abgestuft werden.

Im Segment der Finanz- und Versicherungsprodukte wird beispielsweise oft das Ausfüllen und Abschicken eines Vergleichsformulars mit einer entsprechenden Provision vergütet. Letztere erhöht sich, wenn hieraus ein Vertragsabschluss entsteht. Affiliate Marketing ist heute eine der Möglichkeiten, um ohne großen Kapitalstock ein Einkommen generieren zu können.

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Ein funktionierendes Vertriebsbusiness kostet mitunter viel Zeit – jedoch lässt sich ein Großteil vom Laptop aus steuern.

In der Theorie ist es vollkommen ausreichend, eine Domain zu registrieren und darauf aufbauend eine Webpräsenz zu etablieren. Aber: Affiliate Marketing bedeutet heute, sehr viel Zeit in das Projekt investieren zu müssen. Ein Grund ist die stark gestiegene Konkurrenz – aufgrund der Vorteile, welche Affiliate Marketing hat.

Was ist beim Affiliate Marketing zu beachten?

Affiliate Marketing als Selbstläufer zu betrachten, ist ein Fehler. Um damit Erfolg haben zu können, sind mehrere Aspekte im Auge zu behalten:

  • Provisionssätze: Hier geht´s ums Geld. Einnahmen erzielen Publisher über die Provisionszahlungen der Merchants. Die Höhe variiert je nach Affiliate-/Partnerprogramm. Für Sales wird im Regelfall eine Umsatzbeteiligung im ein- bis niedrigen zweistelligen Prozentbereich ausgezahlt. Leads (also Weiterleitungen) vergüten Merchants meist pauschal.
  • Publisher-Service: Im Hinblick auf die Betreuung der Teilnehmer an Partnerprogrammen, Sales-Aktionen und neuen Werbemitteln unterscheiden sich die einzelnen Merchants sehr deutlich. Bei einigen Partnern scheint das Affiliate Marketing irgendwie mitzulaufen, anderen Programme bieten eine beeindruckende Performance.
  • Mehrgleisig fahren: Affiliate Marketing ist weder für Publisher noch Merchants ein Selbstläufer. Es kommt immer wieder vor, dass die Konditionen für die Partnerprogramme angepasst werden. Vielleicht wird ein Programm sogar komplett eingestellt. Hieraus ergibt sich die Erkenntnis, dass auch ein Publisher nicht schlecht beraten ist, mit mehreren Merchants zusammenzuarbeiten.

Dropshipping: Onlinehandel ohne eigenes Lager

Der Begriff Dropshipping ist ein auf den ersten Blick recht neuer Zweig des Online-Vertriebs. Bei eingehender Betrachtung ist das Grundkonzept nicht wirklich neu. Beim Dropshipping handelt es sich um ein sogenanntes Streckengeschäft. Im Kern sieht das Prinzip so aus, dass Vertriebler zwar Produkte verkaufen, diese aber nie physisch in der Hand gehalten haben.

Lagerung, Verpackung und Versand übernehmen Lieferant bzw. Großhandel. Für den Vertriebler hat das System weitere Vorteile. Hierzu zählen:

  • Kapitalbindung gering
  • Folgekosten bleiben niedrig
  • Aufwand für Retouren überschaubar
  • Marge flexibel

Gerade für den Einsteiger – sprich ein Start-Up – kann das Streckengeschäft durchaus Vorteile haben. Gründer können sehr flexibel entscheiden, welche Sales-Kanäle sie benutzen. Wie sieht es aber mit der anderen Seite der Medaille aus?

Angesichts der Einfachheit des Systems Dropshipping kann schnell übersehen werden, welche Hürden sich möglicherweise aufbauen.

  • Qualitätsmanagement: Der Vertriebler erhält zu Beginn der Partnerschaft ein Muster, das allen Ansprüchen genügt. In der Folge lässt die Qualität der Produkte nach – was erst auffällt, wenn sich wütende Kunden beschweren. Beim Dropshipping kann es im Bereich des Qualitätsmanagements (QM) zu Hindernissen kommen, da der Vertriebler die verschickten Produkte nicht prüfen kann.
  • Zollformalitäten: Dropshipping basiert heute auf der Idee, Waren günstig einzukaufen. Wird diese Methode genutzt, liegen Einkauf und Versand direkt beim Hersteller im Ausland nahe. Bei der Einfuhr besteht ein Risiko in der Zollprüfung bzw. beim Einbehalt der Ware durch Zollbehörden.
  • Haftung: Sofern EU-zertifizierte Produkte per Dropshipping verkauft werden, ist dieses Problem nicht ganz so dramatisch. Schwierig kann es allerdings werden, wenn Produkte ohne entsprechende Prüfungen direkt eingeführt werden. Der Vertrieb sieht sich hier mit der Situation konfrontiert, für Gesundheitsschäden zu haften. Sofern an diesem Punkt nicht sorgfältig geprüft wird, wer die Haftung übernimmt, kann das Dropshipping zum finanziellen Gau werden.

Amazon FBA – ein lohnendes Geschäft?

Eine Abwandlung des Dropshipping ist Amazon FBA. Dahinter steht Fulfillment by Amazon. In der Praxis bedeutet es, dass der Versandhändler Amazon sowohl die Lagerung von Waren als auch deren Verpackung und Versand übernimmt. Im Rahmen des FBA können weitere Serviceleistungen genutzt werden.

Wo liegt der Unterschied zum klassischen Dropshipping? Amazon stellt beim FBA Logistikkapazitäten zur Verfügung. Händler haben die Möglichkeiten, gegen eine Gebühr Lagerraum von Amazon zu nutzen und übergeben dem Versandriesen das Handling der Produkte.

Aber: Amazon FBA hat auch Nachteile, wie den Versand in Amazons typischer Verpackung. Darüber hinaus kann der Vertriebler nicht in den Versandprozess eingreifen und Stammkunden beispielsweise einen Rabatt auf die Waren einräumen. Gerade die fehlende Möglichkeit zum Branding kann für den Händler zu einem Problem werden. Kunden nehmen zuerst Amazon als Verkaufsplattform wahr.

Vertriebs-Business: Was ist generell zu beachten?

Durch das Internet sind heute unterschiedliche Möglichkeiten entstanden, sich in Vollzeit oder als Nebenerwerb selbständig zu machen. Jede Geschäftsidee hat dabei ihre ganz eigenen Herausforderungen und Vorteile. In einigen Bereichen gibt es allerdings Schnittmengen.

Und das Vertriebs-Business steht hier vor den gleichen Problemen und Hürden wie jedes andere Start-Up. Um sich selbständig zu machen, müssen im Vorfeld wichtige Punkte bedacht und organisiert werden. Dazu gehört etwa die Ausarbeitung eines Businessplans oder auch das Planen und Organisieren von Startkapital.

Nicht alle schaffen es jedoch, ihr neu gegründetes Unternehmen auch auf sichere Beine zu stellen und durch die anstrengende und entscheidende erste Zeit zu bringen. Dazu gehören das richtige Mindset, ein ausgefeiltes Marketing und auch eine Menge Mut. Wer ein paar Tipps zur richtigen Herangehensweise berücksichtigt, kann aus seinem Start‑Up ein langfristig erfolgreiches Unternehmen machen. Darüber hinaus sind auch folgende Fragen von Bedeutung:

  • Geschäftsform wählen: Um im Vertrieb mit dem Internet durchzustarten, braucht es keine GmbH. Einige Entrepreneure schaffen es sogar, komplett ohne Website auszukommen. Die Gesellschaftsform wird hier wahrscheinlich das Einzelunternehmen ab. Aber auch eine UG oder die Kapitalgesellschaft tauchen auch. Welche Form passt, hängt von der Zielsetzung ab.
  • Buchhaltung: Jeder Unternehmer muss Bücher führen. Die Frage ist, wie weit die Buchführungspflicht geht. Gründer mit überschaubarem Umsatz haben es oft etwas einfacher – da auf die doppelte Buchführung verzichtet werden kann.
  • Steuern: An diesem Punkt kommt kein Unternehmen vorbei. Prinzipiell lässt sich die Steuererklärung heut ohne Steuerberater erledigen. Fehler werden allerdings sehr schnell teuer. Eine Gründungsberatung hat sicher noch keinem Start-Up geschadet.
  • Vertriebswege etablieren: Online als Affiliate oder mit dem Dropshipping durchstarten hört sich verlockend an, erfordert aber Know-how und eine Portion Durchhaltevermögen. Wichtig ist sich mit geeigneten Vertriebs- und Publishing-Plattformen zu beschäftigen.
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Aspekte der Unternehmensgründung sind auch bei selbständigen Vertrieblern natürlich nicht wegzudenken.

Fazit: Onlinevertrieb macht Start-Up Gründung leichter

Ein Onlinebusiness aufziehen und reich werden – was nach Goldgräberstimmung klingt, kann funktionieren. Allerdings sind in den letzten Jahren die Herausforderungen nicht kleiner geworden. Und genau deshalb auch die Erkenntnis, dass online die Gründung einfacher ist. Das Start-Up erfolgreich zu machen, ist etwas ganz Anderes.

Leider haben Gründer – speziell, wenn Erfahrung fehlt – immer noch ein falsches Bild davon, wie das Vertriebs-Business im Netz funktioniert. Das Ergebnis: Sie erleben Überraschungen. Viele davon sind negativ und kosten Geld. Es ist ein fundamentaler Grundsatz, sich intensiv mit den Vertriebskanälen und Monetarisierungs-Methoden auseinanderzusetzen – um am Ende den Traum vom Erfolg als Internet-Vertriebler nicht aufgeben zu müssen.

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