Digitale Kommunikation: Ist der Trend schon wieder vorbei?

von Michael Kienzle, Michael ist ein renommierter Rhetorikexperte, Speaker und Coach, der für seine Motivation und Fähigkeit bekannt ist, Experten in Überzeuger zu verwandeln. Er wurde 2022 als ‚Mr. Charisma‘ ausgezeichnet

In der Corona-Pandemie wurde viel darüber gesprochen, ob persönliche Begegnungen komplett an Relevanz verlieren. Nun scheint es so, als würde die Uhr zurückgedreht und die digitale Kommunikation wieder Stück für Stück zu verschwinden. Lesen Sie hier, wann diese noch immer sinnvoll ist und wie Sie diese effektiver einsetzen können.

Digitale Transformation. Seit den späten 90er-Jahren ist, verging kein Tag, ohne dass irgendwo ein Artikel oder Bericht zu diesem Thema erschien. Wirklich voran ging es gefühlt aber nicht – bis Corona. Jedes zweite deutsche Unternehmen sagt: Die Pandemie hat einen nachhaltigen Digitalisierungs- und Innovationsschub bei ihnen ausgelöst.[1]

Auf dem Höhepunkt der Pandemie entwickelte sich die digitale Kommunikation zu einer sinnvollen Alternative. Videokonferenzen, Webinare und virtuelle Ausstellungen waren unverzichtbare Instrumente. Es wurden Kundenbeziehungen gepflegt, Mitarbeitermeetings gehalten und zusammen digital an Projekten gearbeitet. Unternehmen nutzten die technischen Alternativen, um Entfernungen, Abstandsregeln und Versammlungsverbote zu überbrücken.

Post Corona. Was ist jetzt noch sinnvoll?

Wo es in Zeiten von Social Distancing keine Alternative zur digitalen Kommunikation gab, gilt es heute zu überlegen. Wo ist es noch sinnvoll sich digital auszutauschen?

Dabei bestimmt der Kommunikationszweck das Format. Wichtige Mitarbeitergespräche, technische Präsentationen oder Verhandlungen sind immer besser im persönlichen Kontakt. Denn hier ist der persönliche Wirkungsgrad einfach enorm wichtig.

Allerdings bringt es für den regelmäßigen Jour fixe die unkomplizierte digitale Form sicher Vorteile. Jedoch sollte auch bei digitalen Meetings vorab die Frage gestellt werden, ob diese unbedingt erforderlich sind. Denn Mitarbeiter verbringen viel zu viel Zeit in Meetings. Mittlerweile wird ein Drittel aller Meetings von Mitarbeitenden als unnötig eingestuft.[2] Dies hat auch in wirtschaftlicher Hinsicht Auswirkungen: Meetings, kosten Unternehmen viel Geld – unter Umständen mehr als 1000 Euro pro Stunde.[3] Somit sollte neben der Art der Durchführung auch immer die Notwendigkeit im Vorfeld eruiert werden.

Auch die Motivation, sich auf das Homeoffice zu reduzieren, scheint immer mehr abzunehmen. Zu Beginn der Pandemie waren Unternehmen noch verwundert, wie effizient Mitarbeitende im Homeoffice arbeiteten. Doch langfristig stellt man fest, dass sich die Mitarbeitenden durch den reduzierten persönlichen Kontakt mehr und mehr voneinander distanzieren. Spontane Problemlösungsgespräche im Flur oder vor der Kaffeemaschine finden nicht mehr statt. Plötzlich entstand daraus die Notwendigkeit für zusätzliche Meetings.

Digitale Kommunikation 4.0 – eine zwischenmenschliche Herausforderung

Eine nächste Hürde ist das Durchführen der digitalen Kommunikation an sich. Technisch ist diese längst keine Herausforderung mehr. Doch tun sich auch nach 3 Jahren Pandemie immer noch sehr viele schwer damit, sich professionell digital zu präsentieren. Warum ist das so? Die Erklärung dafür ist ganz einfach: Wir haben nie gelernt, digital zu kommunizieren!

„Kommunikation 4.0 Digital oder persönlich?
Digital und persönlich!“

– Michael Kienzle

Bei der Kommunikation handelt es sich um einen Austausch von Informationen zwischen zwei oder mehr Personen. Kommunikation ist dabei grundsätzlich störungsanfällig. Denn es können zahlreiche „Übersetzungsfehler“ auftreten zwischen der Botschaft, die ein Mensch versendet und dem, was der Empfänger versteht. Die digitale Kommunikation empfinden viele Menschen auch als stressiger, da man immer das Damoklesschwert des technischen Ausfalls über sich spürt. Doch es gibt auch noch weitere typische Stressfaktoren. Diese hat die Stanford University (USA) im Rahmen einer Studie identifiziert. Der Studie zufolge werden unter dem Stichwort „Zoom-Müdigkeit“ vier wesentliche Stressfaktoren zusammengefasst:

Stressfaktor 1: Intensiver Augenkontakt

In einem persönlichen Meeting sitzt nicht jeder jedem Gegenüber und schaut diesen permanent ins Gesicht. In einer Videokonferenz ist das anders. Hier wird man gefühlt von jedem Teilnehmer permanent frontal beobachtet. Das passiert, auch wenn Sie nicht sprechen und stellt unbewusst eine große Stresssituation dar. Wenn wir nur das Gesicht des anderen Teilnehmers auf dem Bildschirm sehen, interpretiert unser Unterbewusstsein: Der rückt mir ganz schön auf die Pelle! Was sowohl unangenehm ist als auch Stress auslösen kann. Als Teilnehmer sollten Sie die Kamera zwar immer im Fokus haben, aber nicht stur darauf starren. Gönnen Sie sich und den Teilnehmenden auch kleine Auszeiten.

Stressfaktor 2: Der eigene Anblick

Sich während eines Online-Meetings durchgehend selbst zu sehen, kann ebenfalls unterbewusst Stress auslösen, da dies bei der persönlichen Kommunikation nicht der Fall ist.

Tipp: Eigene Ansicht nach einem kurzen Check ausblenden.

Stressfaktor 3: Zu wenig Bewegung

Während persönliche und telefonische Gespräche es ermöglichen, sich gleichzeitig zu bewegen, haben die meisten Kameras bei Videokonferenzen ein festgelegtes Sichtfeld. Aus diesem Grund ist die Bewegungsfreiheit bei der digitalen Kommunikation sehr eingeschränkt, was ebenfalls unterbewusst zu Stress führen kann.

Tipp: Vor dem Meeting sollten Sie sich bewusst bewegen. Vielleicht haben Sie auch die Möglichkeit, Ihren Schreibtisch zum Stehtisch zu wandeln, wobei die Kameraperspektive sich nicht ändern sollte.

Stressfaktor 4: Nonverbale Rätsel

Insbesondere hinsichtlich der nonverbalen Kommunikation stellen digitale Kommunikationsformen eine Herausforderung dar. Denn nonverbale Signale, wie Mimik und Gestik, gehen beim Einsatz digitaler Kommunikationsmittel leicht verloren. Oder schlimmer: Sie bekommen eine andere Bedeutung als bei der analogen Kommunikation. Dies geht mit einem großen Risiko für Fehlinterpretationen einher und erfordert daher mehr kognitive Ressourcen. Menschen müssen nun zusätzliche Kraft aufbringen, um nonverbale Signale senden und empfangen zu können, worüber wir bei der persönlichen Kommunikation in der Regel nicht nachdenken.

Ein Beispiel ist der Blick zur Seite. Wenn Sie Ihre Notizen auf einem zweiten Bildschirm haben, wird Ihr Gegenüber das Gefühl haben, Sie schauen aus dem Fenster, während Sie mit ihm reden. Das kommt sehr geringschätzig rüber.

Tipp: Positionieren Sie alle relevanten Infos, die Sie brauchen, in Kameranähe. Moderieren Sie, was Sie tun. Wenn Sie zum Beispiel auf Ihren Schreibtisch blicken, weil Sie sich eine Notiz machen möchten, kann Ihr Gegenüber das nicht unterscheiden von dem schnellen Check der E-Mails auf Ihrem Handy.

Digitale Ermüdung

Zusätzlich zu diesen vier Stressfaktoren stellt die mediale Informationsflut eine ganz neue Herausforderung an uns. Unsere Aufmerksamkeitsspanne wird nachgewiesenermaßen immer geringer. Laut einer Studie von Microsoft ist die menschliche Aufmerksamkeitsspanne derweil auf 8 Sekunden gesunken. Damit soll diese kürzer sein als die eines Goldfisches mit 9 Sekunden.[4] Auch wenn die Aufmerksamkeitsspanne von Goldfischen bisher vermutlich nicht sehr gut erforscht ist, ist es eine unumstrittene Tatsache, dass der digitale Wandel sich auf den Menschen auswirkt. Die Flut an Informationen, die um unsere Aufmerksamkeit kämpft, macht es zunehmend schwieriger, Menschen auf digitalem Wege zu erreichen.

Um digital genauso überzeugend zu kommunizieren wie persönlich, braucht es aufgrund der soeben erwähnten Hürden somit eine weitaus bessere Performance. Wenn Ihre Botschaften im persönlichen Gespräch informativ sind, sind Sie digital einfach nur langweilig. Ihre digitale Performance muss im Vergleich zum persönlichen Gespräch mindestens 30% besser sein. Denn die digitale Distanz raubt Ihnen mindestens diese 30% Ihrer Wirkung.

Die gute Botschaft ist, dass man mit kleinen Veränderungen schon sehr viel erreichen kann.

Fazit: Persönliche sowie digitale Kommunikation sind gleichermaßen wichtig

Um in Zeiten der digitalen Transformation weiterhin erfolgreich zu sein, sind sowohl die persönliche als auch digitale Kommunikation wichtig. Trotz bestehender Hürden bringt die digitale Kommunikation zahlreiche Vorteile mit sich, wie beispielsweise eine Kostenersparnis durch geringere Reise- und Bürokosten, eine höhere Flexibilität und Ortsunabhängigkeit sowie eine Schonung der Umwelt. Zum Sichern der Wettbewerbsfähigkeit sollten Unternehmen diese Vorteile nutzen und die digitale Kommunikation nicht als notwendiges Übel ansehen. Vielmehr sollten sie es als Chance ansehen, sich mit einer Top-Performance von der Konkurrenz abzuheben.

Quellen:

[1] https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Corona-hat-Bueros-dauerhaft-digitaler-gemacht
[2] https://de.finance.yahoo.com/nachrichten/studie-angestellte-empfinden-dritte-meeting-130714015.html
[3] https://www.n-tv.de/wirtschaft/Die-meisten-Meetings-kosten-mehr-als-1000-Euro-pro-Stunde-article23858656.html
[4] https://praxistipps.focus.de/aufmerksamkeitsspanne-vom-goldfisch-interessante-fakten_162546
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Michael Kienzle

Michael Kienzle ist Rhetorikexperte und seit über 20 Jahren sehr erfolgreich als Speaker & Coach tätig. Er ist Mitautor der Expertenformel und wurde 2020 als Erfolgsexperte ausgezeichnet. 2022 wurde er in Berlin zum Mr. Charisma gewählt. Seine kurzweiligen und pragmatischen Vorträge & Seminare motivieren seine Teilnehmer neuen Wege erfolgreich zu gehen. Sein Motto: Ich mache aus Experten Überzeuger

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